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Es könnte so gewesen sein...

2023
Feldis/Veulden
Gieri Battaglia

Es könnte so gewesen sein…

Die beiden ersten Aprilwochen waren im Vergleich zu den Vorjahren zwar trocken, aber eher zu kühl. Mitte Monat wurde es dann wärmer, und der Ostermontag 17. April 1911 wurde ein prächtiger Frühlingstag.

12 Feldiser Frauen mussten an diesem Tag ungewöhnlich früh aufstehen. Die Susanna, die Sonja, Deti, Nona, Luzia, Heidi, Annalies, Emerita, Verena, Nesa, Georgina und die Christina übernahmen für ihre Männer ausnahmsweise die Stallarbeit. Sie mussten das Vieh füttern, die Kühe melken, ausmisten.

Ihre Kinder hatten in der Zwischenzeit das Morgenessen herzurichten. Bei den einen gab es Brot und Käse, bei anderen Brot mit Butter und Konfitüre, an einem Ort sogar Rösti und Käse. Dazu üblicherweise Milchkaffee. Auch für die Kinder.

In der Zwischenzeit machten sich 13 Männer besonders hübsch. Sie wuschen sich mit Kernseife, stutzten den Schnauz, rasierten sich, zogen ein weisses Hemd an, banden sich eine dunkle Krawatte um und suchten ihren schwarzen Hut. An diesem Tag hatten sie nämlich ihren grossen Auftritt, am Sängerfest in Scheid. Dort wollten sie eine gute Figur machen. Äusserlich, aber auch musikalisch.

Seit Wochen kamen sie jeden Samstagabend im grossen Zimmer des Schulhauses zusammen um gemeinsam zu proben. 11 Bläser an Tuba, Es-, Tenor- und Flügelhörnern sowie an vier Trompeten. Dazu der noch nicht zwanzigjährige Tambour Josias sowie Dirigent Gion-Peder.

Man wiederholte das kleine Repertoire, das aus einigen Märschen, Polkas, Walzern und Chorälen bestand. Zwischendurch wurde wie üblich diskutiert, geraucht und getrunken.

Dann der Ostermontag 17. April 1911. Um genau 7 Uhr auf dem Platz mitten im Dorf. Mit einem langen Wirbel trommelte Tambour Josias seine Musikkameraden zusammen. Für die Feldiser Bevölkerung gab’s noch ein kurzes Ständchen, bevor sich Nino, Urban, Andrea, Corsin, Gion-Peder, Anton, Plasch, Gion, Rageth, Gieri, Stefan und Peter zu Fuss Richtung Scheid aufmachten. Angeführt vom jüngsten, dem noch ledigen Knecht Josias mit seinem kräftigem rämm plämm plämm auf der Trommel.

Auf den Wiesen blühten weisse und blaue Krokusse, gelbe Frühlings-Fingerkräuter, blaue Gundelreben, dreifarbige Feld-Stiefmütterchen und unzählige gelbe Hahnenfüsse.

Ein Tannenhäher krächzte. Ein Kolkrabe stritt mit einer Rabenkrähe. Tannen-, Hauben- und Alpenmeisen sangen. Ein Misteldrossel-Männchen vertrieb einen Widersacher.

Ein Hausrotschwanz versuchte mit seinem Gesang ein Weibchen anzulocken. Und eine Gruppe Erlenzeisige flog von einem Baum zum andern.

In Purz (Oberscheid) gaben die Feldiser Musikanten noch ein kleines Ständchen, sehr zur Freude der Einheimischen. Dann ging’s an der Kirche vorbei hinunter nach Unterscheid. Auch dort wurde kurz musiziert. Ein seltenes Ereignis, hatten die Scheidner in ihrem Dorf zwar einen Gemischten Chor, aber keine eigene Blechmusik.

Beim Evangelischen Kirchlein zwischen den beiden Dorfteilen weiter oben kamen immer mehr Leute zusammen. Sängerinnen und Sänger der Chöre Trans, Tomils, Feldis und Scheid. Dazu Besucherinnen und Besucher aus allen Richtungen, Erwachsene, Jugendliche und Kinder.

Bei schönstem Frühlingswetter begrüsste Gemeindepräsident Luzi alle Gekommenen, besonders natürlich die Sängerinnen und Sänger aus den nahen drei Gemeinden.

Pfarrer Gerber hielt eine kurze Ansprache. Man betete das UNSER VATER und sang, unterstützt von den Musikanten, das Lied GROSSER GOTT WIR LOBEN DICH.

Dann begannen die Vorträge der Chöre. Es ertönten abwechslungsreiche Lieder in deutscher und rätoromanischer Sprache. Die Tomilser sangen sogar ein italienisches Lied, das bekannte L’INVERNO E PASSATO. Die aufmerksamen Zuhörerinnen und Zuhörer spendeten viel Applaus. Die Kinder spielten etwas abseits des Geschehens Verstecken oder Räuber und Polizist.

Gegen Mittag meldete sich bei vielen Personen Hunger und Durst. Die Scheidner hatten eine einfache, aber gutfunktionierende Verpflegung organisiert. Servelat mit Brot kosteten 50 Rappen, der auf dem Grill zubereitete Zigeunerspiess einen Franken. Die Erwachsenen tranken vor allem Bier oder Most, die Kinder Wasser.

Jetzt war der grosse Auftritt der Feldiser Musikanten gekommen. Unter der Leitung ihres langjährigen Dirigenten unterhielten sie die Anwesenden mit einigen gemütlichen Polkas, hübschen Walzern und zackigen Märschen.

Dem Tambour Josias war dabei aber nicht entgangen, dass eine zierliche junge Frau mehr als nur ein Auge auf ihn geworfen hatte. Nach den Darbietungen nahm er seinen ganzen Mut zusammen und suchte den Kontakt mit Emma, so ihr Name. Schnell «funkte» es. Die beiden entfernten sich etwas von der Festgemeinde. Auf einem nahegelegenen Bänklein kam es zum ersten Händchen halten. Und genau in dem Moment, als Josias Emma auf die Wange küssen wollte, erscholl ein lautes Rufen: Josias! Josias!

In der Zwischenzeit war nämlich Fotograf Guler aus Thusis auf dem Festgelände angekommen. Und Josias musste doch auch aufs Bild!

Sechs Personen hatten nach Anweisung des Fotografen hinten zu stehen, sieben (mit dem Dirigenten in der Mitte) platzierte Guler auf einer einfachen Bank, die man aus dem Kirchlein hergeholt hatte.

Alle Musikanten in ihrer «Uniform» mussten aufs Bild. Mit ihren alten Blechinstrumenten, welche sie vor einigen Jahren von einer Unterländer Musikgesellschaft geschenkt erhielten. Alle mit dunklem Hut, weissem Hemd, mit Krawatte und hohen Schuhen. Mit einer Ausnahme allerdings: Der Dirigent trug elegante Halbschuhe und modische Ringelsocken!

Am späteren Nachmittag traten die Musikanten ihren Heimweg an, natürlich wiederum zu Fuss. Die meisten kehrten sofort heim, zu Frau und Kindern.

Im Restaurant ADLER aber brannten noch die Öllaternen. Ein guter Grund, dachten sich einige, sich noch einen «Schluck» zu genehmigen. Ein illustres Quartett kehrte ein. Sie tranken ein erstes Bier. Dann ein zweites, ein drittes. Es wurde heftig politisiert, und es kam auch zu hitzigen Diskussionen. Der Tscharner warf dem Barandun vor, seine Eltern seien beim Erbstreit, damals im Herbst 1889, schlechter weggekommen. Und der Battaglia warf dem Raguth Tscharner vor, er hätte ihm vor sieben Jahren eine Kuh viel zu teuer verkauft.

Josias aber machte etwas, was er schon lange nicht mehr gemacht hatte. Er suchte zu Hause ein besonders schönes Blatt Papier, begann seinen Brief mit LIEBE EMMA, beendete ihn mit ICH LIEBE DICH, steckte ihn in ein kleines farbiges Couvert, klebte eine 5-Rappen-Briefmarke drauf und übergab das Brieflein noch am selben Abend dem gelben Briefkasten am Dorfplatz.

So könnte sich der 17. April 1911 abgespielt haben.

Vielleicht aber war auch fast alles ganz anders…

Bild: zur Verfügung gestellt von Josias Just (Chur + Feldis)

Text: erfunden von Gieri Battaglia (Rorschach + Feldis)

Die rätoromanische Version (übersetzt von Johann Clopath) erschien im CALENDER PER MINTGA GI 2023, Seiten 64-67

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20 mars 2023
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