Das letzte Fresko, das sich nicht wie die anderen an der dem Dorf zugewandten Wand (im Osten), sondern an der Südwand befindet, ist eine klassische "Pieta": der tote, vom Kreuz abgenommene Christus liegt in den Armen der Muttergottes. Einige Figuren vervollständigen die Szene: Hinter der Madonna deutet eine weibliche Figur mit langen Haaren auf Maria Magdalena hin. Rechts küsst eine vermutlich männliche Figur Jesus die Füsse. Auf der linken Seite erscheinen zwei Heilige (mit Heiligenschein). Der erste, der die Hände Christi mit dem Kapuzinergewand küsst, ist vermutlich der heilige Franziskus, um die Anwesenheit der Kapuziner im Hospiz zu bezeugen, während die Heilige mit dem violetten Mantel hinter ihm durch kein Attribut identifizierbar ist. Ich wage eine Hypothese aufzustellen: Wenn man dem Gemälde einen franziskanischen Abdruck geben wollte, dann könnte es die Heilige Klara von Assisi sein. Aus den Wolken schauen zwei kleine Engel mit lächelnden Gesichtern zu, wenig passend zur Tragik der Szene. Links im Hintergrund sind die drei Kreuze auf dem Golgotha zu sehen, jetzt ohne die Gequälten, während rechts in der Mitte ein Haus und der Turm einer Burg erscheinen, vielleicht um auf Jerusalem hinzuweisen. Über dem Gemälde befindet sich die Inschrift "Qui transit per viam attendite et videte". Links neben dem Gemälde auf dem knapp sichtbare Rand der Nische die Signatur des Künstlers (siehe separates Foto).

Kontext: Im oberen Teil des Dorfes Soazza befindet sich das alte Hospiz, ein kubisches Gebäude mit einem kleinem Glockenturm, das von den Franziskanern betrieben wurde, wie die Fresken belegen. Innerhalb der Mauer des Gartens befinden sich in mehreren Nischen Szenen aus der Passion von Jesus. Diese sind jedoch nicht die klassischen 14 Kreuzwegstationen, obwohl einige Szenen logischerweise dieselben sind.